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16.08.2024
Allgemein
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Zur Nachahmung empfohlen

Kann eine Gemeinschaft mit unterschiedlichen Eigentümerinnen und Eigentümern gemeinsam eine nachhaltige und gleichzeitig wirtschaftliche Heizungslösung umsetzen? Die mehr als 100-jährige Siedlung Kobelhöhe ist ein gutes Beispiel, wie das gelingen kann. Will die Schweiz ihre Klimaziele erreichen, brauchts genau solches Engagement.

Die Kobelhöhe, eine über 100-jährige Gartensiedlung, hat gemeinsam auf ein erneuerbares Heizsystem umgestellt. Walter Bollinger ist Präsident der Eigentümervereinigung. Er ist stolz auf das Erreichte – und auf das neue Heizungshaus, in welchem die Wärmepumpen untergebracht sind.

Zu Beginn der 1920er Jahre entstand die Wohnsiedlung Kobelhöhe, gebaut von einer Baugenossenschaft. Es war in der Zwischenkriegszeit eines der wenigen grösseren Wohnbauvorhaben in der Gemeinde. Wie der Name Kobelhöhe sagt, auf einer Anhöhe gelegen. Das Areal ist sonnig, die Häuser sind eingebettet in eine grosszügige Gartenlandschaft. Einst stand die Siedlung alleine. Rundherum war auch noch grüne Wiese, als Ferdinand Gehr sie in den 1930er Jahren in der für ihn typischen Weise mit klarer Struktur verewigte. Die Siedlung zeichnet sich durch eine hohe Qualität aus und ist ein wichtiger Zeitzeuge. Sie steht als Ortsbild-Schutzgebiet unter dem Schutz der kommunalen Schutzverordnung. In den 1960er Jahren gab die Baugenossenschaft ihr Eigentum auf, die damaligen Mieterinnen und Mieter konnten ihren Wohnraum erwerben.

Am Anfang stand die Analyse

«Erdsondenbohrungen und Wärmepumpen / Ersatzbau Garage, Kobelhöhe, Niederuzwil». So war es im Februar im Uzwiler Blatt bei den erteilten Baubewilligungen zu lesen. Die Baubewilligung markierte einen wichtigen Meilenstein für die Eigentümervereinigung Kobelhöhe. Ihr Präsident, Walter Bollinger: «Wir befassen uns seit 2019 mit der künftigen Heizung für unsere Häuser. Die Beratung der Energieagentur St. Gallen war wertvoll. Wir starteten mit einer energetischen Analyse aller Häuser. Das brauchte seitens der 13 Eigentümerinnen und Eigentümer auch eine grosse Offenheit, sich gegenseitig die Daten offen zu legen, um eine gemeinsame Lösung zu prüfen.» Und aus dieser Untersuchung hätten nicht nur Optionen für die Beheizung der Siedlung resultiert. Sie habe auch grosse Unterschiede zwischen den einzelnen Häusern aufgezeigt, wenig erstaunlich aufgrund des unterschiedlichen Erneuerungsrhythmus. «Die Untersuchungen lieferten Fakten zum Zustand der Häuser, ermöglichten Vergleiche und lieferten gleichzeitig Empfehlungen, was die einzelnen Eigentümerinnen und Eigentümer an ihren Häusern energetisch verbessern könnten.» Das haben sie auch getan. Walter Bollinger hat im Gespräch keine Mühe, aus dem Stand verschiedenste Erneuerungsvorhaben aufzuzählen, welche die einzelnen Eigentümerinnen und Eigentümer seither in Eigenregie umgesetzt haben: Neue Fenster, PV-Anlagen, Dächer und Estrich isoliert und anderes mehr. Die Untersuchungen hätten eine eigentliche Erneuerungswelle ausgelöst.

Die Lösung

Die 13 Eigentümerinnen und Eigentümer heizten schon bisher gemeinsam. Zwei Gasheizungen, untergebracht in zwei der Wohnhäuser, versorgten die Siedlung über ein Wärmenetz. «Das Gemeinsame kannten wir schon, auch die Verrechnung der Energie an die einzelnen Eigentümerinnen und Eigentümer war kein Neuland», erklärt Walter Bollinger. Auch ihre neue Lösung, die sie nun umgesetzt haben, knüpft daran an. So entstanden im Frühjahr im gemeinsamen Spielplatzareal neun Tiefenbohrungen auf 250 Meter. Ebenfalls auf dem gemeinsamen Grundstück entstand anstelle einer alten Garage ein neues

Heizungshaus. Darin sind die drei Wärmepumpen und der Wärmespeicher untergebracht. Und von hier aus werden die Häuser über ein Wärmenetz mit Wärme versorgt. «Zusätzlich entstand im Verlaufe der Arbeiten der Gedanke, auf dem Dach des Heizungshauses eine Photovoltaikanlage zu realisieren. Die Eigentümerinnen und Eigentümer haben dem Vorhaben basisdemokratisch zugestimmt.» Und deshalb liefert jetzt eine PV-Anlage einen Teil des benötigten Stroms.

Eigenleistung

Im Entscheidfindungsprozess seien durchaus auch sehr kontroverse Haltungen und Meinungen aufeinandergetroffen, was denn nun der richtige Weg sei. Im Ergebnis, so stellt Walter Bollinger fest, habe diese Auseinandersetzung nun wohl zur bestmöglichen Lösung geführt. Ein Thema dabei war auch, wie die Kosten optimiert werden könnten. Die Eigentümervereinigung wurde fündig. Eigenleistungen ihrer Mitglieder waren ein Schlüssel. Und so entstand beispielsweise das Heizungshaus komplett als Eigenleistung, auch die PV-Anlage wurde selbst montiert. Diese Eigenleistungen – insgesamt fast 600 Stunden – wurden erfasst und den Mitgliedern gutgeschrieben, welche sich engagierten. Sie konnten so für sich die Kosten durch persönliches Engagement reduzieren. Positiv auf die Kosten ausgewirkt hat sich auch, dass die Öffentlichkeit Fördergelder ausrichtete. «Wir haben mit tieferen Förderungen gerechnet. Den zusätzlichen Spielraum konnten wir sinnvoll nutzen, um die PV-Anlage zu realisieren», erklärt der Präsident der Eigentümervereinigung.

Fazit

Natürlich habe es auf dem Weg zur Lösung auch Überzeugungsarbeit und Engagement gebraucht, meint der Präsident. Schlussendlich sei man zu einer nachhaltigeren Heizungslösung gekommen, die gleichzeitig bei den Investitionen und im Betrieb günstiger seien, als wenn jede und jeder für sich eine Lösung umgesetzt hätte. Für Walter Bollinger ist eine grosse Freude, dass dies der Gemeinschaft gelungen ist. Prädikat: Zur Nachahmung empfohlen!

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