Hitze in den Städten – und im Dorf?
Der Bericht «Hitze in Städten» der Bundesämter für Umwelt (BAFU) und für Raumentwicklung (ARE) zeigt: Im Sommer ist es in Städten mehrere Grade heisser als in den umliegenden ländlichen Gebieten. Die vielen versiegelten Flächen absorbieren die Sonnenstrahlung und heizen die Umgebung auf. Man spricht vom Hitzeinseleffekt.
Rezepte
Die Bundesämter liefern auch Rezepte, wie für Linderung gesorgt werden kann: Mehr Grünflächen, Beschattung, bewegtes Wasser und der Einsatz bestimmter Baumaterialien sind einige der Möglichkeiten. So kann es laut den Fachleuten im Schatten von Bäumen bis zu 7 Grad Celsius kühler sein als nebenan ausserhalb des Schattens. Gleichzeitig wird die Gefahr erwähnt, dass durch die zunehmende Verdichtung der Städte Grünflächen verschwinden.
Diagnose
Uzwil hat zwar verschiedentlich urbane Züge, die Gemeinde mit ihren sieben Dörfern ist aber auch stark ländlich geprägt. Christoph Paly, der Bereichsleiter Bau der Uzwiler Gemeindeverwaltung: «Kleinräumige Klimadaten fehlten, deshalb haben wir 2023 mit eigenen Messungen begonnen.» Und so haben er und sein Team in der Gemeinde etwa 40 Temperaturmesspunkte installiert. In Kanalisationen und Meteorwasserleitungen, in Gewässern, in der Siedlung. Christoph Paly: «Wir müssen die lokalen Gegebenheiten und Abhängigkeiten kennen, um richtig darauf zu reagieren.» Die Messungen werden auch 2024 fortgesetzt, um die letztjährigen Ergebnisse zu ergänzen und zu verifizieren. Und aus den Messungen resultierten durchaus spannende Erkenntnisse. Christoph Paly dazu: «Die Messungen genügen zwar nicht wissenschaftlichen Anforderungen, sie ergaben für uns aber sehr wichtig Erkenntnisse. Eine davon ist etwa, dass die Temperaturen auf kleinstem Raum stark variieren. Vor der Südfassade eines Hauses ist es heiss, deutlich kühler ist es ein paar Meter davor unter dem grossen Baum.» Trotz der Kleinräumigkeit liessen sich wertvolle Ergebnisse für die Dörfer der Gemeinde gewinnen.
Heisse Dörfer
Eine wichtige und so nicht erwartete Erkenntnis: In den Dorfzentren von Henau und Algetshausen ist es an sommerlichen Hitzetagen etwa gleich heiss wie in den urban geprägten Zentren von Uzwil und Niederuzwil, Hitze ist nicht nur ein städtisches Problem. Gut sichtbar ist aber: Nachts kühlt es in ländlichen Strukturen deutlich besser aus. Das Grün um die Dörfer sorgt dafür. So wurden in Henau und Algetshausen 2023 keine Tropennächte gemessen. Und wie sieht es in den urbaneren Dörfern Uzwil und Niederuzwil aus? Mit Abstand die meisten Tropennächte gab es in Niederuzwil. Uzwil war deutlich weniger betroffen. Christoph Paly dazu: «Dafür ist weitgehend die Topografie verantwortlich. Der Luftaustausch funktioniert auf der Ebene deutlich schlechter.» Ergänzende kleinräumige Ausschläge ergäben sich aufgrund der Bebauungsstruktur. Einer der heissesten Orte in der Gemeinde ist – aufgrund ihres Erscheinungsbildes wenig erstaunlich – die Fabrikstrasse im Industriegebiet. Christoph Paly: «Die Temperaturen an der Fassade hätten zum Niedergaren eines Fleischstückes ausgereicht.»
Die Gewässer
Die Messungen zeigten auch Abhängigkeiten und Zusammenhänge für die Gewässer. Grosse versiegelte Flächen wie Parkplätze und Strassen erwärmen sich in der sommerlichen Hitze intensiv. Folgt darauf ein Gewitter, erwärmt sich der Regen auf diesen Flächen stark und transportiert die Wärme mit dem Wasser über die Metorwasserleitungen in die Bäche. Christoph Paly: «Kleine Bäche erwärmten sich durch diesen Effekt kurzfristig um vier bis fünf Grad.» Nicht so die Uze. Ihr Einzugsgebiet ist gross und grün genug, um solche Ereignisse zu glätten. Christoph Paly dazu: «Bei der Uze konnten wir ein anderes Phänomen beobachten. Sie erwärmt sich auf ihrem Weg durch die Gemeinde an einem warmen Sommertag um fast zwei Grad. Das hängt direkt mit der Sonneneinstrahlung aufs Gewässer zusammen.» Aus den Daten sehr gut ablesbar sind auch die positiven Wirkungen des Uzwiler Grüngürtels auf die Temperaturen. Seine grossflächige Durchgrünung und die Konzentration von Bäumen sorgen flächig für angenehmere Temperaturen. Sie sind rund 5 Grad tiefer als in den benachbarten Ortszentren. Noch kühler ist nur im Wald: Dort sind an heissen Tagen die Temperaturen 9 Grad kühler als in den urbanen Zentren der Gemeinde.
Massnahmen
Und was leitet die Gemeinde aus den bisherigen Erkenntnissen ab? Bei jedem Strassenbauvorhaben wird überprüft, wie die Belagsflächen zugunsten von mehr Grün reduziert werden können. Im Gewässerunterhalt wird darauf geachtet, dass die Bachläufe möglichst stark durch Bäume und Sträucher entlang des Ufers beschattet werden. Gleichzeitig ist das eine Gratwanderung, weil aus den Interessen des Hochwasserschutzes Bachläufe möglichst «ausgeräumt» sein sollten. Im Rahmen der Ortsplanungsrevision sollen griffige Instrumente entwickelt werden, um den Grüngürtel zu schützen. Bei Arealentwicklungen und inneren Verdichtungen wird dem Thema Grünraum und Versickerungsflächen ein hoher Stellenwert beigemessen. Und im Strassenbau tastet sich Uzwil an neue Lösungen. So ist die anstehende Sanierung der Sportstrasse als Pilot angereichert. Die Begrünung und Beschattung der Strasse ist dort ebenso ein Thema wie die Absicht, das Strassenwasser direkt im Unterbau der Sportstrasse versickern zu lassen, statt ins Gewässer zu leiten. Generell gilt wohl: Je besser sich eine Siedlung an die Folgen der Klimaerwärmung anpasst, desto lebenswerter bleibt sie. Die Herausforderungen sind enorm. Christoph Paly: «Wir stellen uns diesen Herausforderungen. Die Messergebenisse helfen uns, das Richtige zu tun.»