Der Preis des eigenen Weges
Die Militärschützen legten vor gut 100 Jahren beim Bau ihrer Schiessanlage in Algetshausen selber Hand an. Hier entsteht der Kugelfang.
Der Kugelfang der ehemaligen Schiessanlage Algetshausen muss saniert werden. Das kostet in der Minimalvariante 252’000 Franken, der Bund zahlt daran 48’000 Franken. Der Löwenanteil der Kosten bleibt den Uzwiler Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, obwohl die Schiessanlage eine private Anlage war, die einst gegen den Willen der Gemeinde und der Bürgerschaft entstand.
Militärschützen scheren aus
Rückblende. 1907 eröffnete die neu gebaute Schiessanlage im Hirzen in Niederuzwil ihren Betrieb. Sie war gedacht als zentrale Gemeindeschiessanlage, die «allen Schützenvereinen der ganzen Gemeinde ohne jegliche Ausnahme dienen müsse». Es kam aber anders. «…trennte sich der Militärschützenverein Algetshausen-Oberstetten mit einer Schützenzahl von 20 Mann in ganz unerklärlicher Weise von den vereinigten Schützengesellschaften los». Die Archivalien im Gemeindearchiv erzählen, dass die Algetshauser und Oberstetter Schützen die alte Anlage in Algetshausen weiter nutzten, obwohl sie sicherheitstechnisch sehr problematisch war. Der Gemeinderat untersagte daraufhin, dort weiter zu schiessen. Der Verein rekurrierte beim kantonalen Militärdepartement. Der Rechtsstreit endete mit der Feststellung, dass die Gemeinde nicht gezwungen werden könne, zwei Schiessanlagen zu unterstützen. Wenn der Verein auf seine Kosten den Schiessbetrieb einwandfrei sicherstelle, solle die Gemeinde ihn dulden.
Selber
Die Militärschützen waren nicht bereit, auf ihren eigenen Schiesstand zu verzichten. Die Bürgerversammlung der Gemeinde aber verweigerte im Dezember 1909, eine neue Anlage zu finanzieren oder auch nur einen Betrag daran zu leisten. Sie sah weder ein Bedürfnis noch eine Notwendigkeit für die Anlage. Der Hirzen sei die einzige offizielle Gemeinde-Schiessanlage. Die Militärschützen liessen sich nicht beirren, bauten trotzdem ihre eigene Anlage und eröffneten sie 1912.
Erdreich kontaminiert
Knapp 100 Jahre später endete die Geschichte des eigenen Weges. 2008 verfügte der Kanton, dass der Schiessbetrieb einzustellen ist, im Herbst 2008 wurde die Anlage stillgelegt. Der Scheibenstock und sein Umfeld sind mit Schadstoffen belastet und im Katas-ter der belasteten Standorte geführt. Eine Folge der jahrzehntelangen Einschüsse ins Erdreich des Kugelfangs. Dieser Kugelfang am Waldrand gehörte nie den Schützen. Sie durften ihn seit jeher im Einverständnis mit dem privaten Eigentümer kostenfrei nutzen. Und jetzt muss er mit grossem finanziellem Aufwand saniert werden.
Den Letzten beissen…
Verursacher der Sanierungskosten ist der Schiessbetrieb des Militärschützenvereins Algetshausen-Stetten. Er wäre jetzt aus Sicht der Gemeinde mit in der Pflicht, für die Folgen seines Weges hinzustehen. Das Problem: Er existiert nicht mehr, seine ehemaligen Mitglieder dürften aus rechtlicher Sicht nicht mehr haftbar gemacht werden können. Rechtlich wäre damit der Grundeigentümer mit in der Pflicht. Die Kosten sollen aus Sicht der Gemeinde nicht dem Grundeigentümer übertragen werden, welcher seit jeher den Schützen den Kugelfang unentgeltlich zur Verfügung stellte.
Geld und Moral
Für die Gemeinde stossend: Nach der Stilllegung veräusserte der Verein «Ehemalige Schützen Algetshausen-Stetten» das Schützenhaus, welches ihm gehörte. Dem Verein flossen durch den Verkauf Mittel zu, die teilweise noch vorhanden sind. Auch wenn sie nicht genügen würden, die Kosten der Sanierung zu zahlen: Der Verein wäre aus Sicht der Gemeinde zumindest in der moralischen Pflicht, diese Mittel für die Altlastensanierung einzusetzen und so die Belastung für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu reduzieren. Die Vertreter des Vereins sehen das anders. Und so befindet die Bürgerversammlung über die Gesamtkosten für die Sanierung, obwohl sie vor 115 Jahren festlegte, sich nicht mit Kosten an der Anlage zu beteiligen. Der Gemeinde bleibt nichts anderes, als in den sauren Apfel zu beissen und den Preis des 100-jährigen Sonderwegs der Schützen den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zu belasten.